Jochen Fahrenberg, Menschenbilder Psychologische, biologische, interkulturelle und religiöse Ansichten

e-Buch 2007 zurPsychologischen und Interdisziplinären Anthropologie

Das Menschenbild ist die Gesamtheit der Annahmen und Überzeugungen, was der Mensch von Natur aus ist, wie er in seinem sozialen und materiellen Umfeld lebt und welche Werte und Ziele sein Leben haben sollte. Diese Annahmen über den Menschen sind das Thema der Philosophischen Anthropologie und als empirische Fragestellung bilden sie eine Aufgabe der Psychologie. In neuerer Zeit werden die traditionell religiös oder philosophisch bestimmten Menschenbilder zunehmend durch die Ergebnisse der Humanwissenschaften beeinflusst. Statt der üblichen Abgrenzung von Philosophischer Anthropologie und Biologischer Anthropologie zu folgen, muss heute auf eine Interdisziplinäre Anthropologie hingearbeitet werden. Zu dieser Aufgabe kann die Psychologie wegen ihrer Grenzstellung zwischen Geistes- und Sozialwissenschaften, Biologie und Medizin wesentlich beitragen.

Das Buch enthält fünf Themenbereiche: (1) Menschenbilder der Psychotherapie und Psychologie: u.a. Sigmund Freud, Erich Fromm, Viktor Frankl, Burrhus F. Skinner, außerdem Beiträge der Persönlichkeits- und Sozialpsychologie zu subjektiven Theorien, Selbsttheorien und Einstellungen. (2) Menschenbilder der Biologie und Neurobiologie: Genetik, Abstammung, Primatenforschung und Hirnforschung. (3) Menschenbilder in sozialer und interkultureller Sicht. (4) Menschenbilder und Religion: Christentum, Buddhismus, Islam, Chinesischer Universalismus; repräsentative Umfragen zu Religion, Religiosität und Spiritualität. (5) Wege der Aufklärung: Menschenwürde und Menschenrechte, Menschenbilder und religiös motivierte Wertkonflikte, Glauben und Vernunft, Pluralismus und Toleranz, Überzeugungen und ihre Konsequenzen. – In 25 Kapiteln werden wichtige Aspekte von Menschenbildern geschildert. Zum Thema der religiösen Überzeugungen werden bevölkerungsrepräsentative Umfrageergebnisse in Deutschland einbezogen. Eine eigens durchgeführte Untersuchung bei 800 Studierenden verschiedener Fächer befasste sich u.a. mit der Evolution und Sonderstellung des Menschen, geistiger Existenz nach dem Tod, Gottesglauben und Theodizee-Problem, Atheismus, Interesse an Religion und Sinnfragen, dualistischer bzw. monistischer Auffassung des Gehirn-Bewusstsein-Problems sowie der Willensfreiheit.

Die Annahmen über den Menschen sind so verschieden, dass eine einheitliche Bestimmung unmöglich ist. Dieser Pluralismus der Überzeugungen ist eine Folge der philosophischen Aufklärung, der Säkularisierung und der Glaubensfreiheit; er wird durch das zunehmende Wissen über andere Kulturen und andere Religionen gefördert. Deswegen bildet der fortschreitende Prozess der Aufklärung ein zentrales Thema: der Umgang mit diesem Pluralismus, Toleranz und Intoleranz, Vernunft und Glauben, Fundamentalismus und Aberglauben. Aus psychologischer Sicht sind die Fähigkeit zur Perspektiven-Übernahme, die Duldung der Mehrdeutigkeit und eine geringe Ausprägung autoritärer und ethnozentrischer Persönlichkeitszüge als toleranzfördernde Denkstile hervorzuheben. Der Pluralismus der Menschenbilder führt häufig zu religiös motivierten Wertkonflikten, muss aber nicht zwingend auf eine Relativierung grundlegender ethischer Normen hinauslaufen. An die Stelle der religiösen oder metaphysischen Begründungen der Ethik treten die universalen Prinzipien der Menschenwürde und Menschenrechte sowie die Idee des Weltethos, insbesondere die in sehr vielen Kulturen verbreitete Goldene Regel.

Die Absichten des Buchs werden in zwei Themen zusammengefasst: Die differentielle Psychologie der Menschenbilder erfordert mehr empirische Untersuchungen und die Reflexion der möglichen Konsequenzen philosophischer Vorentscheidungen für die Forschung und die Praxis der Psychologen, Psychotherapeuten, Ärzte und anderer Berufe. – Die Kontroversen über das Gehirn-Bewusstsein-Problem (Leib-Seele-Problem) und die Willensfreiheit lehren, dass geisteswissenschaftlich-idealistische und naturalistische Auffassungen einander ausschließen. Demgegenüber bedeutet Komplementarität, dass jedes der beiden Bezugssysteme auf seine Weise vollständig ist, aber dennoch nur einen Teil bildet in der umfassenden Beschreibung von Geistigkeit und Natur des Menschen.

Dieser Text ist als e-Buch auf dem PsyDok Dokumentenserver (Virtuelle Fachbibliothek Psychologie, UB Saarbrücken) open access archiviert URL: http://psydok.sulb.uni-saarland.de/volltexte/2007/981 mit print-on-demand Funktion DIN A 5 Format [PDF-Datei, 438 Seiten, 2.0 MB]; außerdem auf der Homepage http://www.jochen-fahrenberg.de [DIN A 4 PDF-Datei, 268 Seiten, 1.8 MB].